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Energie

Eisenerz als Wasserstoffspeicher?

Eisen-Dampf-Verfahren kann als reversibler, saisonaler Energiespeicher dienen

Wasserstoff
Ein mehr als 120 Jahre altes Verfahren kann dabei helfen, grünen Wasserstoff zu speichern. © JONGHO SHIN/ iStock

Zurück in die Zukunft: Ein seit gut 120 Jahren bekanntes Verfahren könnte helfen, grünen Wasserstoff zu speichern – und so überschüssigen Solarstrom im Winter nutzbar machen. Entscheidender Akteur dabei ist gemahlenes Eisenerz, das durch den Wasserstoff zu Eisen reduziert wird. Dieses wird gelagert und kann bei Bedarf heißen Wasserdampf wieder in Wasserstoff umwandeln. Der Vorteil: Dieses Eisen-Dampf-Verfahren ist einfach und kostengünstig. Allerdings muss die Effizienz noch erhöht werden, wie die Forscher einräumen.

Grüner Wasserstoff gilt als wichtige Säule der Energiewende. Er soll als Brennstoff dienen, aber auch helfen, überschüssigen Solar- und Windstrom für die kalte, sonnenarme Zeit im Winter zu speichern. Doch dafür muss auch der Wasserstoff monatelang sicher und effizient gespeichert werden – am besten in reversiblen chemischen Substanzen, die besser aufzubewahren sind als der entzündliche, gasförmige Wasserstoff. Als mögliche Kandidaten gelten Ammoniak, Metallhydride und auch spezielle chemische „Batterien“.

Verfahrensablauf
Schematischer Ablauf des reversiblen Speicherprozesses. © ETH Zürich

Renaissance für das Eisen-Dampf-Verfahren

Jetzt kommt eine weitere Speichermethode hinzu. Samuel Heiniger und seine Kollegen von der ETH Zürich greifen dabei auf ein Verfahren zurück, das schon im Jahr 1900 kommerziell im Einsatz war: das Eisen-Dampf-Verfahren. „Dieser Prozess wurde genutzt, um hochreinen Wasserstoff aus Eisen und Wasserdampf zu erzeugen“, erklären die Forscher. Sie verwenden nun den umgekehrten Prozess, um Wasserstoff längerfristig zu speichern und dann wiederzugewinnen.

Konkret besteht ihre Testanlage aus Edelstahltanks, in die zu Beginn jeweils 250 Kilogramm Eisenoxid-Pulver eingefüllt wurde – gemahlenes, anderweitig aber nicht vorbehandeltes Eisenerz. „Der große Vorteil der Technologie ist, dass das Ausgangsmaterial Eisenerz einfach und in großen Mengen zu beschaffen ist“, erklärt Seniorautor Wendelin Stark von der ETH. Das senke die Kosten. „Zudem müssen wir es nicht einmal aufbereiten, bevor wir es in den Kessel geben“, so der Forscher.

Aus Rost und Wasserstoff wird Eisen…

Für die Wasserstoffspeicherung wird das Eisenerzpulver auf rund 400 Grad aufgeheizt und Wasserstoff hineingeleitet. In der Praxis würde dies im Sommer passieren, wenn Solarstrom für die Herstellung grünen Wasserstoffs mittels Elektrolyse im Überschuss vorhanden ist, wie das Team erklärt. Im Reaktor kommt es nun zu einer chemischen Reaktion, bei der das Eisenoxid zu metallischem Eisen und Wasserdampf reduziert wird.

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„Dieser chemische Prozess gleicht dem Aufladen einer Batterie. So kann die Energie des Wasserstoffs fast verlustfrei über lange Zeit als Eisen und Wasser gespeichert werden“, erklärt Stark. Der bei der Reaktion gebildete Wasserdampf wird abgeleitet, bis der Großteil des Eisenoxids in Eisen umgewandelt ist. In den ersten Tests wurde so rund 88 Prozent des Eisenoxids zu Eisen reduziert. „Das entspricht einer effektiven volumetrischen Speicherdichte von 30,1 Kilogramm H2 pro Kubikmeter“, berichtet das Team.

…und Wasserdampf wird wieder zu Wasserstoff

Um den Wasserstoffspeicher wieder zu entladen, wird der Prozess umgedreht: Man leitet heißen Wasserdampf ein, der das Eisen wieder zu Eisenoxid oxidiert. Dabei wird Wasserstoff frei. Allerdings ist diese Entladung nichts für den schnellen Wasserstoff- oder Strombedarf: Bei ihrem Testreaktor dauerte es rund einen Monat, bis rund die Hälfte des eingeleiteten Wasserdampfs in Wasserstoff umgewandelt war, wie Heiniger und seine Kollegen berichten.

Dafür ergaben die Tests, dass das Eisenerzpulver auch mehrfaches Laden und Entladen ohne starke Degradierung übersteht. Das System kann demnach für zahlreiche Speicherzyklen verwendet werden, ohne dass es ausgetauscht werden muss. Der verwendete Tank muss zudem – anders als Wasserstofftanks – keine besonderen Sicherheitsauflagen erfüllen, wie die Forscher erklären. Denn die Reaktion läuft unter normalem Druck ab.

Edelstahltanks
In solchen Edelstahltanks laufen die Reaktionen ab. © ETH Zürich

Bei Kosten und Aufwand konkurrenzfähig

Doch wie sieht es mit der Effizienz und den Kosten aus? Um das zu ermitteln, haben Heiniger und seine Kollegen ihr Eisen-Dampf-Verfahren mit anderen gängigen Wasserstoff-Speichermethoden verglichen, darunter der Speicherung im verflüssigten Zustand und der Umwandlung in Ammoniak, Methan oder flüssige Kohlenwasserstoffe.

Das Ergebnis: Ein großes Plus gegenüber anderen Wasserstoffspeichern hat die Eisen-Dampf-Methode durch ihre geringeren Kosten. „Die Einfachheit des demonstrierten Prozesses, die milden Prozessbedingungen und der geringe Preis des Eisenerzes machen ihn zu einer finanziell attraktiven Option“, schreiben die Forscher. Ihren Berechnungen zufolge lägen die Kosten bei einer Anlage von 400 Gigawattstunden Kapazität bei 0,57 US-Dollar pro Kilowattstunde Wasserstoff, bei einer kleineren Anlage von 100 Megawattstunden bei 1,95 US-Dollar pro Kilowattstunde.

Manko ist die Effizienz – noch

Allerdings: „Die Effizienz des aktuellen, nicht optimierten und noch im Versuchsstadium befindlichen Systems ist sehr gering“, räumen die Forscher ein. Bezieht man den gesamten Energiebedarf mit ein, liegt die Effizienz nur bei rund 11,4 Prozent. Hauptgrund dafür ist der große Wärmeverlust über die kleinen und nicht wärmeisolierten Außenwände der Tanks im Pilotversuch. „Die Effizienz kann bis zu 79 Prozent erreichen, wenn das System hochskaliert und vernünftig isoliert wird“, erklären Heiniger und sein Team.

Die Forscher haben bereits erste größere Pilotanlage aus drei jeweils 1,4 Kubikmeter großen Tanks errichtet. „Die Pilotanlage kann langfristig rund zehn Megawattstunden Wasserstoff speichern. Je nachdem wie man den Wasserstoff in Strom umwandelt, werden daraus vier bis sechs Megawattstunden Strom“, erklärt Heiniger. Dies entspreche dem Strombedarf von drei bis fünf Einfamilienhäusern in den Wintermonaten. Bis 2026 wollen die Forschenden diese Anlage weiter ausbauen und damit dann ein Fünftel des winterlichen Strombedarfs des ETH Campus Hönggerberg decken. (Sustainable Energy & Fuels, 2024; doi: 10.1039/D3SE01228J)

Quelle: Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)

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